Phase3_Schritt 16: Persona, Masken im Innen und im Aussen

Schritt 16_Phase3: Persona, Masken im Innen und im Aussen
Interessanter Weise kann eine Krise, zwei von C.G. Jung als Gegensatzpaare betitelte innerpsychische Funktionen deutlich sichtbar machen: die Persona und der Schatten.
Aus aktuellem Anlass beschäftigen wir uns heute mit der Persona.
Als Persona wird in der Analytischen Psychologie nach C.G.Jung, die nach außen hin gezeigte Einstellung eines Menschen bezeichnet, die seiner sozialen Anpassung dient und manchmal auch mit seinem Selbstbild identisch ist.
Es sind die bewussten und ins (rechte) Licht gerückten Persönlichkeitsanteile in uns, die wir nach Außen so zeigen, wie wir auch gesehen werden wollen. Die Persona verdeutlicht auch die verinnerlichten Werte der eigenen Eltern und der Gesellschaft, und macht sichtbar, wie wir als Kind akzeptiert wurden und wie wir uns, je nach Herausforderung der Verhältnisse angepasst haben.
Das lateinische Wort „persona“ wurde auch als das 'Hindurchtönen' (personare = hindurchtönen, klingen lassen) der Stimme des Schauspielers durch seine Maske, die seine Rolle typisierte, verstanden.
In jüngster Zeit wird "Persona" auch für im Internet gezeigte Schein-Identitäten verwendet.
Das spannende an der kollektiven Krise jetzt ist, dass wir nach neuem Erlass und Erweiterung mit dem Tragen von Atemschutzmasken in der Öffentlichkeit unser Gesicht verdecken.
Kurzabriss zur Geschichte der Masken:
Als der Mensch die Idee eines übernatürlichen Wesens entwickelte, entstanden die ersten Masken. Es gibt sie in allen Kulturen. Die älteste Maskendarstellung ist circa 11.000 Jahre alt und stammt aus Israel. Gefunden wurden Überreste von Stein- oder Metallmasken, Zeichnungen belegen, dass auch andere nicht so haltbare Materialien wie Stoff, Pflanzen, Federn, Leder oder Papyrus zum Maskenbau verwendet wurden.
Masken kamen an Wendepunkten des Lebens zum Einsatz: Geburt, Hochzeit, Initiation, Krankheit und Tod, aber auch Ereignisse wie Aussaat, Ernte oder der Auftakt zur Jagd wurden von Ritualen begleitet.
Mit dem Anlegen der Maske wechselte der Träger in eine andere Daseinsform: Hier sollte kein Gott oder Dämon nur dargestellt werden, der Träger wurde selbst dazu.
Manche Rituale endeten mit der Zerstörung der Maske, deren Kraft sich verbraucht hatte. Andere Masken behielten ihre Kraft oder wurden dabei noch mächtiger.
Trotzdem ist die Maske das Symbol des Theaters geblieben: Die Schauspieler setzten ein fremdes, zweites Gesicht auf, um es als sein eigenes vorzuführen.
In aristokratisch beherrschten Gesellschaften waren für den hohen Adel Maskenbälle ein beliebter Anlass, die herrschende Ordnung für eine kurze Weile außer Kraft zu setzen.
Im Schutz der Maske konnte sich jeder jedem nähern, wobei nicht nur Standes-, sondern auch Geschlechterschranken überschritten wurden.
Was hat das Tragen einer Maske, die ja jetzt als Schutz um andere vom Virus zu verschonen gedacht ist mit unserer Persona zu tun?
In der Krise wird die bisherige Persona brüchig. Die alten Regeln sind entweder nicht möglich, nötig oder nicht passend, jedenfalls nicht durchgängig – viele müssen sich auch in der Quarantäne gar nicht präsentieren, wenn wir nicht Online-Konferenzen teilnehmen oder aus triftigen Gründen doch zur Arbeit gehen müssen.
Das heißt die alte Persona – die Maske, die wir uns zugelegt haben, um gut durchs Leben zu kommen, hat zumindest eine Pause, Risse oder fehlende Notwendigkeit.
Das macht einige von uns – je nachdem wie weit die Persona entfernt ist von unserem authentischen Sein, ganz froh, dass sie entspannter nach neuen Regeln sich maskenfrei, unkontrolliert fühlen können. Die andere Möglichkeit ist die Verunsicherung, da natürlich die Gewohnheit sich auf eine gewisse Weise zu präsentieren wegfällt.
Da kommt die Frage auf: Wer sind wir ohne die gewohnte Maske?
Man könnte die Verordnung in einer Pandemie, wie ein Hilfsmittel zu einer „Übergangspersona“ verwenden, d.h. eine Schutzmaske, die nicht nur zur Abwehr des Virus dient, sondern auch die alten brüchige innere Maske äußerlich überdeckt und eine konstruktive, förderliche Wirkung hat.
Manche verwenden einfache medizinische Masken, die im Supermarkt bereitgestellt werden. Andere nähen sich bunte Stoffmasken oder lassen sich die nähen, es gibt Masken aus Kaffeetüten und Tüchern – die neue Herausforderung ist eine kreative - es kommt zu einem kreativen Akt der Maskengestaltung – die Maske ist plötzlich ein sichtbarer Teil unseres täglichen Lebens, wenn wir uns im Außen bewegen.
Wir möchten jedoch auf die besondere Kraft der Maske hinweisen:
"Ich bin durch das Schultheater zur Maske gekommen. Meine erste Rolle war die eines alten Königs in einer romantischen Komödie von Ludwig Thieck. Da habe ich mit einer Halbmaske gespielt, wie sie in der Comedia dell'arte verwendet werden. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass die Maske nicht mein Gesicht verstellt, sondern im Gegenteil mir Kraft gibt und ein Schutz bietet, mich dem Publikum zu stellen. Sie verstärkt eigentlich mein Selbstbewusstsein. Diese Erfahrung war so stark, dass ich mich entschieden habe, Schauspieler zu werden."
Professor Dr. Richard Weihe, Theaterwissenschaftler, Literaturwissenschaftler und Philosoph, Freiburg
Übung:
Gestalte aus einfachen Materialien – z. B. aus Papiertellern eine Maske. Hole Dir deine Gestaltung (Phase 2) der Wegkreuzung vom bisherigen Weg und dem Weg zu deiner Lebensaufgabe her. Entscheide welche Maske im nächsten Schritt in Richtung deiner Lebensaufgabe dir Schutz und Kraft geben könnte. Gestalte diese Maske und und beschreibe die Vorteile, den Sinn und den Spaß in deinem Maltagebuch. Vergegenwärtige dir auch, wer du mit dieser Maske bist. Und experimentiere damit in für dich neuen Situationen.